hr-iNFO Büchercheck: Bilder deiner großen Liebe von Wolfgang Herrndorf

hr-iNFO Büchercheck: Bilder deiner großen Liebe von Wolfgang Herrndorf

13.11.2014

Wolfgang Herrndorf gilt als einer der großen deutschen Autoren dieses Jahrzehnts. Im Sommer 2013 hat er sich erschossen, weil er unheilbar an einem Gehirntumor erkrankt war. Vor kurzem ist sein letztes Werk erschienen, der unvollendete Roman „Bilder deiner großen Liebe“.
hr-iNFO Bücherchecker Frank Statzner hat ihn gelesen.

Worum geht es?
Bis kurz vor seinem Tod hat Wolfgang Herrndorf an diesem Roman geschrieben, gegen seine Krankheit angeschrieben. Ein berührendes Buch, weil es darin nicht nur um die Geschichte einer Ausbrecherin aus der Psychiatrie geht, sondern auch, zwischen den Zeilen und auf der Metaebene, um die Gehirnerkrankung und die Gedanken des Autors über das Leben und den Tod: Isa bricht aus der Psychiatrie aus und macht sich auf den Weg durch Deutschland, zu Fuß, als Anhalterin per Auto, LKW und Binnenschiff. Es ist eine Art romantische Reise, viel Landschaft und Natur. Aber auch ein Abenteuer, denn das Mädchen, 14 Jahre alt, trifft auf merkwürdige, gestörte, vielleicht gefährliche Typen.

Wie ist es geschrieben?
Dieser Roman ist ein Fragment. Er besteht aus einer Reihung von Szenen, Handlungsteilen, Skizzen. Versetzt mit Reflektionen, Kernsätzen zum Leben, seiner Sicht auf das Leben, seinen Sehnsüchten, seinen Ängsten, wohl auch seiner Wut, seiner Hilflosigkeit, seiner Trauer. Mal steigert Herrndorf das Tempo des Erzählens, wird fast atemlos, um dann in eine Art Zeitlupe zu wechseln, die Erzählung fast anzuhalten und schließlich ein ganz dichtes, mehrdeutiges Bild oder sogar einen Kernsatz zu platzieren. Zum Beispiel als Isa mit einer gefundenen Waffe hantiert.

„Ich halte die Waffe genau senkrecht hoch und sehe mit offenem Mund der Kugel hinterher, sehe sie steigen, sehe sie immer kleiner und kleiner und fast unsichtbar werden im tiefdunklen blauen Himmel, bevor sie sich aus dem Verschwundensein wieder materialisiert und zu fallen beginnt, millimetergenau zurück in den Lauf der Waffe.“

Das ist so eine von vielen mehrdeutigen Passagen, die weit über die Geschichte des Mädchens hinaus wirkt. Zumindest wenn man weiß, dass sich Herrndorf erschossen hat, als er merkte, dass der Tumor im Gehirn die Kontrolle übernahm.
Wie gefällt es?
Dieses Buch hat mich gepackt. Es ist zwar ein Fragment. Aber das spielt keine Rolle. Wolfgang Herrndorf zeigt hier ein letztes Mal seine große Kunst, Personen zu entwickeln, Stoffe zu entfalten, dramaturgisch zu überraschen, ohne jede Bedeutungsheischerei mit Sprache zu spielen, bewegende Bilder zu erschaffen, auf den Punkt zu kommen. Und es hat mich sehr beeindruckt, zu lesen, wie Herrndorf hier seine Krankheit und deren Folgen mit der Geschichte verwebt und immer wieder, ganz fein durchscheinen lässt. Ein äußerst berührendes Buch.

16,95 € inkl. MwSt.
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gebundenes Buch, 144 S.
Sprache: Deutsch
Rowohlt Berlin Verlag
ISBN: 9783871347917

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